Kai, du nutzt nahe zu jede Gelegenheit aus, um ins Gelände zu kommen. Was macht für dich das Tourengehen und Freeriden aus?
Die Freiheit und besonders die Ruhe außerhalb der Piste oder auch der Arbeitswelt. Nach so einen Tag in den Bergen, ist man wieder erholter und kann umso motivierter wieder in den Arbeitstag starten.
Welcher Ort hat dich am meisten beeindruckt?
Die meiste Zeit bewege ich mich in den Nordalpen, weil es von uns aus im hohen Norden am “schnellsten” zu erreichen ist. Ich war aber auch schon in Canada, in der Slowakei, im ganzen Alpenraum und auf den Lofoten Ski fahren. Eigentlich beeindruckt mich jeder Tag in den Bergen. Landschaftlich haben mich schon die Lofoten am meisten beeindruckt. Wunderschöne Berge und Abfahrten bis ans Meer. Ein Traum.
Worauf kommt es beim Freeriden an?
Man sollte sich klar machen, dass das Abfahren im freien Gelände sich deutlich vom Fahren auf der Piste unterscheidet. Denn erstens stellt das Fahren im Tiefschnee etc. durchaus erhebliche Ansprüche an das Fahrkönnen, weshalb man als eher unerfahrener Fahrer lieber erstmal auf die ganz großen Abenteuer verzichten sollte. Zudem kann man auf der Piste meistens einfach drauf los fahren, ohne groß darüber nachzudenken. Wer ins Gelände will, sollte hingegen in der Lage sein, die Schnee- und Wetterverhältnisse richtig einzuschätzen, um das Risiko, verschüttet zu werden, möglichst zu minimieren. Es ist ohnehin zu empfehlen, sich erstmal einem erfahrenen Bergführer anzuvertrauen und generell nicht alleine unterwegs zu sein.
Der dritte Punkt, über den man nachdenken sollte, ist die Ausrüstung. Denn man braucht fürs Freeriden nicht nur ganz andere Ski als auf der Piste, man braucht auch einige Dinge, die man auf der Piste gar nicht braucht. Denn auch wenn man es natürlich niemandem wünscht, kann das Risiko verschüttet zu werden, im Gelände niemals ganz ausgeschlossen werden. Deshalb ist es sehr wichtig, die richtige Lawinenausrüstung dabei zu haben, und den Umgang damit auch möglichst oft zu trainieren, damit man sich im Fall des Falles richtig verhalten kann. LVs-Geräte, Lawinenschaufeln und Lawinensonden sind die absoluten Basics, ohne die sich niemand ins Gelände wagen sollte. Denn wenn man erstmal verschüttet ist, sinken die Überlebenschancen nach etwa zwölf Minuten rapide ab und selbst mit der richtigen Ausrüstung und jeder Menge Übung ist es eine sehr schwierige Aufgabe, einen Verschütteten in dieser Zeit zu finden und auszugraben.
Welche Rolle kann ein Lawinenrucksack bei der Risiko-Minimierung spielen?
Auch wenn keine Lawinenausrüstung eine hundertprozentige Sicherheit garantieren kann, kann der Lawinenrucksack einen entscheidenden Teil zur Risikominimierung beitragen, indem er die Chancen erhöht, bei einem Lawinenabgang nicht verschüttet zu werden. Mit dem Einsatz eines Lawinenairbags lässt sich laut einer großangelegten Studie des kanadischen Lawinenforschers Pascal Huegeli die Anzahl der Lawinentoten um die Hälfte reduzieren. Ein ausgelöster Airbag vergrößert das Volumen eines Fahrers mit einem Schlag um etwa 150 bis 200 Liter, was dazu führen soll, dass man in der Lawine sozusagen oben aufschwimmt. Dahinter steckt ein physikalisches Prinzip, das man Paranuss-Effekt oder Entmischung nennt, und das besagt, dass Körper mit einem höheren Volumen in einer fließenden Masse an die Oberfläche geschwemmt werden, während kleinere Körper untergehen. Wegen diesem Prinzip landen die Nüsse in einer Müsli-Packung auch immer oben und die Leinsaatblättchen unten.
Würdest du allen Freeridern und Tourengehern also empfehlen, ernsthaft über den Erwerb eines Lawinenrucksacks nachzudenken?
Ja, auf jeden Fall. Die Rucksäcke kosten zwar eine Menge Geld, können aber im Unglücksfall die Überlebenschancen deutlich erhöhen. Zudem herrscht auf dem Markt ein gehöriger Innovationsdruck, so dass die Rucksäcke in den letzten Jahren immer nutzerfreundlicher, leichter und auch etwas preisgünstiger geworden sind. Inzwischen gibt es auch eine ganze Reihe von Modellen, so dass eigentlich für jeden was dabei sein sollte.
Eine der neuesten Innovationen steckt im Lawinenrucksack Patrol von Scott. Du hattest (letzten Winter) die Gelegenheit, diesen Rucksack zu testen. Was unterscheidet den Scott Patrol von anderen Systemen auf dem Markt?
Die größte Besonderheit an den Scott Patrol E1-Rucksäcken ist sicherlich das in Zusammenarbeit mit Alpride entwickelte elektronische Auslösesystem. Viele andere Airbag-Systeme funktionieren mithilfe von Druckluft befüllten Kartuschen, was zwei große Nachteile hat: Erstens können die Kartuschen oft nicht im Flugzeug transportiert werden, und zweitens müssen die Kartuschen nach jeder Auslösung ausgetauscht oder wieder befüllt werden, was das Üben zu Hause sehr kompliziert und teuer macht und auch dazu führen kann, dass man den Airbag nach einer Fehlauslösung am Berg nicht wieder funktionsfähig machen kann. Es gibt zwar auch andere elektronische Auslösemechanismen auf dem Markt, aber die sind meistens deutlich schwerer und arbeiten zumeist mit Lithium-Ionen-Akkus, mit denen man normalerweise auch nicht ins Flugzeug kommt.
Und bei Scott ist das nicht so?
Nein, das Alpride-Auslösesystem ist zwar nicht ganz so leicht wie die meisten Kartuschensysteme, aber mit einem Gewicht von1280 Gramm schon ziemlich nah dran. Außerdem arbeitet das Alpride E1 Airbagsystem mit sogenannten „Superkondensatoren“, die statt der Akkus die zum Aufblasen nötige Energie speichern. Diese Kondensatoren bereiten bei der Gepäckkontrolle keine Probleme und sind zudem deutlich weniger kälteanfällig als herkömmliche Systeme.
Wie genau funktionieren diese Superkondensatoren?
Das Auslösen funktioniert wie bei Kartuschensystemen mechanisch, also über einen kräftigen Zug am Auslösegriff, der an einem der Schultergurte befestigt ist. Einmal aktiviert, geben die Kondensatoren in kürzester Zeit viel Energie an ein Gebläse ab, dass dann einen Luftsog erzeugt und die Umgebungsluft ansaugt. Durch den entstehenden Druck erreicht der Airbag so in Sekundenschnelle sein Maximalvolumen.
Die in den Kondensatoren gespeicherte Energie reicht theoretisch für zwei bis drei Auslösungen, am besten lädt man jedoch nach jeder Auslösung neu. Das geht zur Not sogar, wenn man unterwegs ist, denn die Kondensatoren lassen sich nicht nur über einen USB-Anschluss aufladen, was etwa zwanzig Minuten dauert, sondern auch mit zwei handelsüblichen AA-Batterien, die einfach in ein kleines Fach eingelegt werden müssen. Man kann also problemlos und umsonst jede Menge Probeauslösungen durchführen und muss danach nur wieder aufladen, über ein Ventil die Luft aus dem Airbag lassen und ihn zurück in sein Fach falten.
Wie sieht es mit der sonstigen Ausstattung und dem Tragegefühl der Patrol-Rucksäcke von Scott aus?
Der Scott Patrol 30 hat eigentlich alles, was man für einen Tagesausflug ins Gelände braucht: ein geräumiges Innenfach und zahlreiche Features wie Skihalterungen, Daisy Chains, Gurte, Helmtragenetz und Pickelhalterung, durch die sich die Ausrüstung fest am Rucksack fixieren lässt. Wer etwas mehr Ausrüstung, etwa Kletterausrüstung, Seile oder eine professionelle Kamera-Ausrüstung transportieren will, kann auch zu dem größeren Scott Patrol 40 greifen.
Falls man das Stauvolumen des Rucksacks nicht ganz ausnutzt, lässt er sich leicht komprimieren und liegt überhaupt angenehm nah am Rücken, so dass Beweglichkeit und Gleichgewicht nicht beeinträchtigt werden. Einziges Manko ist vielleicht der etwas spartanische Hüftgurt, was aber erst negativ auffällt, wenn man sehr viel Gewicht transportieren will. Insgesamt ist das System eine runde Sache.